Rasenkompetenzteam hegt und pflegt das WM-Grün :: "Wie die Bühne im Theater"

Wenn bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland der Ball rollt, dann schaut Engelbert Lehmacher gar nicht so genau hin. Der Rasen soll bei der WM in einem Top-Zustand sein.

Jedenfalls nicht auf das runde Leder. Der Diplom-Ingenieur und Landschaftsarchitekt schaut auf den Rasen. "Das Spielergebnis interessiert mich nicht so sehr", sagt der 55-Jährige. "Ich leide mehr mit der Spielfläche."

Das verwundert nicht. Dem Rasen, der bei der WM zum Einsatz kommt, ist Lehmacher eng verbunden. Er hegt und pflegt, begutachtet, analysiert und sorgt sich um ihn. Zusammen mit seinem Berufskollegen Rainer Ernst bildet der Osnabrücker das "Rasenkompetenzteam". Die beiden sollen im Auftrag des WM-Organisationskomitees für höchste Qualität des Grüns in den Stadien sorgen, denn spätestens seit der Schlammschlacht zwischen Deutschland und Polen bei der WM 1974 im Frankfurter Waldstadion weiß jeder, dass die Qualität des Spiels vom Zustand des Rasens abhängt. Lehmacher drückt es so aus: "Der Rasen im Stadion ist wie die Bühne im Theater".

Wiesenrispe und Weidelgras
Seit März 2005 gedeiht der WM-Rasen; Rechte: dpa Bild groß Seit März 2005 gedeiht der WM-Rasen.

Deshalb wird das Grün in den Arenen kurz vor der WM komplett ausgetauscht. Im vergangenen März wurde der neue Rasen an einem geheimen Ort ausgesät. Lehmacher ist mit dem Wachstum sehr zufrieden. "Es geht ihm prima. Das schöne Wetter im Oktober war sehr gut für ihn", erklärt der Fachmann.

Ein Charakterrasen soll es werden. "Wir wollen keinen filigranen Zierrasen, sondern ein festes, dichtes und kurz geschnittenes Gras", erklärt Lehmacher. Die botanische Formel hat er gemeinsam mit Ernst, der Deutschen Rasengesellschaft und dem Bundessortenamt ausgeklügelt: 75 Prozent Wiesenrispe (Poa pratensis) und 25 Prozent Weidelgras (Lolium perenne) lautet die Mischung.

Ein guter Rasen ist eine Wissenschaft für sich. "Die Wiesenrispe ist dominant. Weil sie eher in die Horizontale wächst, bleibt die Rasendecke niedrig. Dann ist der Widerstand gering, und der Ball kann gut laufen", sagt Lehmacher. "In den Wintermonaten bekommt die Wiesenrispe allerdings eine Wachstumsdepression. Die wird durch das aggressivere Weidelgras kompensiert", erklärt der Landschaftsarchitekt. Das soll dafür sorgen, dass es auch in den engen Arenen wie Hamburg, Dortmund und Leipzig, wo der Rasen wenig Licht und Sauerstoff bekommt, keinen Grund zur Klage gibt. "Wir orientieren uns an den Problemstadien", sagt Lehmacher.

Insgesamt kümmern sich Lehmacher und Ernst um rund 530.000 Quadratmeter Rasenfläche. 37 Plätze in gleich guter Qualität werden für das Fußballfest benötigt. Neben den zwölf Stadien sind das 24 Trainingsplätze an den Spielorten sowie das Schiedsrichter-Quartier in Neu-Isenburg.

Das Kompetenzteam wacht auch über die Ernte und das Verlegen der Rasen-Rollen. Kurz nach Ende der Bundesliga-Saison im Mai wird der Rasen in die Stadien gebracht.

Lehmacher ist guter Dinge. Doch ein Szenarium geht ihm nicht aus dem Kopf. "Mein Alptraum ist, dass der Rasen zum Beispiel durch Pilzbefall krank wird", sagt der Experte. Im Notfall kann er auf Reserven zurückgreifen: "Wir haben für jeden Platz einen zweiten als Ersatz."

So ist sich Lehmacher sicher, dass das Grün hält, was es jetzt verspricht. "Einen solchen Rasen hat es in dieser Präzision noch nicht gegeben", schwärmt er. Und so stehen die Chancen gut, dass Lehmacher bei der WM nicht nur auf die Spielfläche, sondern auch auf den Ball achten kann - spätestens im Endspiel.

(Quelle: Frank van der Velden)

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